Bayern 2 - Die Welt am Morgen


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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Gerne geschehen!

Dass die Umgangssprache Marotten pflegt, ist nicht schlimm. Ausdrücke oder Redewendungen kommen erst in Mode, feiern dann fröhliche Urständ´ und verschwinden auch ganz bestimmt wieder. Aber es lohnt sich, hinzuhören, was wir meinen, wenn wir sprechen. Eine Glosse von Gregor Hoppe.

Von: Gregor Hoppe

Stand: 02.05.2024

Liebe Hörerinnen und Hörer von Bayern2, drehen Sie die Lautstärke an Ihrem Radio gerne ein bisschen höher, setzen Sie sich gerne bequem zurück und kommen Sie heute gerne ein bisschen später in die Arbeit. Denn sicherlich warten die KollegInnen gerne auf Sie, so, wie früher die Speisewagenkellner und die weiteren Mitarbeiterinnen des Mitropa-Teams gerne im Bordrestaurant erwarteten.

Wir wollen gerne einen Moment lang innehalten, um die Magie des kleinen, aber ungemein wichtigen Wörtchens „gern“ oder „gerne“ eingehender zu beleuchten. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieses schlichten Ein- oder Zweisilbers? Dass er nun allüberall zu wirken vermag?

Nun, erstmal ist aus dem uns von früher vertrauten „gern geschehen“ offenbar das „geschehen“ rausgekürzt worden. Darin liegt aber keine Elision, keine Ausstoßung zugunsten etwa einer Ver- oder Abschleifung. Das „geschehen“ nicht mehr zum „gerne“ dazuzusagen, ermöglichte dem „gerne“ einen Stellungswechsel im Satz. Und, wichtiger noch, die Erweiterung der Bedeutung auf das Gegenüber, in der Form einer gewissen Zweideutigkeit, die zugleich aber eine Verstärkung bedeutet.

Gerne ein konkretes Beispiel

Gerne ein konkretes Beispiel: Früher hieß es, „ich hätte gerne noch einen Kaffee“. Heute heißt es aber, „Bringen Sie mir gerne noch einen Kaffee“. Was geschieht hier, fast unmerklich, aber doch so andersartig im Ergebnis? Einmal erklingt die Bitte nach weiterem Kaffee, wie gehabt. Dann aber spielt das nach neuer Art gebrauchte „gerne“ seine ganze Kraft aus: Indem nämlich dem Gegenüber, ob das nun will oder nicht, die innere freudige Bereitschaft unterstellt, das Anstehende zu erledigen. Es ist jene freudige Bereitschaft, und mag „gern“ dabei auch nur floskelhaft eingesetzt werden, die das dem Menschen unweigerlich Aufgesetzte nicht nur zu ertragen ermöglicht, sondern ihm zugleich suggeriert, er habe dabei selbst sein Wohlgefallen.

Denken wir gerne auch an Christian Fürchtegott Gellerts radikal-aufklärerischen Vers ZITAT „Entbehre gern, was du nicht hast!“ ZITAT ENDE. Die allgemeine Misere ist, wie wir wissen, tief genug, um alsbald aus der Haut zu fahren, gerne zugegeben. Aber so, wie ein beherztes „Alles gut“ den potentiellen Wüterich neben uns bannt, der sich eben genervt entschuldigte, weil er uns auf den Fuß trat, so impft uns ein so oft es nur geht eingestreutes „gern“ gegen die Misslichkeiten allen Alltags.

Sogar in Bayern, wo viele gut und gerne sich die ganze Welt den Buckel runterrutschen lassen, und den, der sich mit aufdringlicher, süßlicher Überhöflichkeit nähert, gerne auch mal bescheiden, er könne einen gerne auch kreuzweise – sogar hier bei uns setzen sich „gerne“ und „gern“ unaufhaltsam durch.

Lassen Sie sich also, sehr verehrte Hörerinnen und Hörer von Bayern 2, auch heute wieder gern vom Geist des „gerne“ in die Pflicht nehmen. Ich bitte Sie und danke Ihnen, bitte, bitte, gerne geschehen, wirklich gerne, gern. Gerne.


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