Ein Traktor mit Anhänger auf der Bundesstraße B27 bei Rottweil (Symbolbild)
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Ein Traktor mit Anhänger auf der Bundesstraße B27 bei Rottweil (Symbolbild)

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Traktorführerschein ab 16 Jahren: Debatte um Verbot

Für viele Jugendliche auf dem Land ist der Traktorführerschein mit 16 selbstverständlich. Doch Unfallforscher sagen: Zwischen Auto und Bulldog kracht es zu oft, auch weil den jugendlichen Fahrern die Reife fehle. Nun steht ein Kompromiss im Raum.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Theorieunterricht und acht bis zehn Fahrstunden - so schnell kommen 16-Jährige derzeit an den Traktorführerschein. Die Technik haben die meisten schon vor der Fahrschule im Griff, weil sie regelmäßig auf dem Hof der Eltern mit dem Bulldog unterwegs waren.

Unfallforscher: Jugendlichen fehlt die Reife

Doch gerade darin sieht Siegfried Brockmann ein großes Problem. Der Leiter der Unfallforschung der Deutschen Versicherungswirtschaft glaubt, dass die Jugendlichen im Straßenverkehr mehr Risiken eingehen, weil sie überzeugt sind, ihr Gefährt im Griff zu haben.

Doch die Verkehrspsychologie zeige, dass "man Gefahren bis zum 21. Lebensjahr nur begrenzt wahrnehmen und darauf reagieren kann - also die geistige Reife hat". Deshalb sei der Lkw-Führerschein in Deutschland auch erst ab 21 Jahren freigegeben.

Hauptrisiko: Unfälle bei geringem Tempo innerorts

Für Brockmann ist ein großer Traktor mit Anhänger nicht anders zu bewerten als ein Lkw. Auch die Tempobegrenzung beim Bulldog auf 40 km/h beziehungsweise 25 km/h mit Anhänger mache keinen Unterschied.

Gerade das langsame Tempo sei im Gegenteil oft Unfallursache: "Das Hauptproblem liegt bei Auffahrunfällen innerorts und beim Thema Abbiegen, das heißt der Traktor biegt für den Überholenden nicht vorhersehbar ab", so Brockmann. Im vergangenen Herbst etwa ist in der Nähe von Hohenpeißenberg ein Traktor-Anhänger, auf dem Personen saßen, in voller Fahrt umgekippt - elf Menschen wurden verletzt.

Risiko eines tödlichen Unfalls 56 mal höher

2019 - im aussagekräftigen letzten Vor-Corona-Jahr - seien laut der Studie der Versicherer bundesweit 59 Menschen bei Unfällen mit Traktoren gestorben und 618 schwer verletzt worden. Umgerechnet auf die Fahrleistung sei das Risiko eines tödlichen Ausgangs bei Unfällen mit Traktoren 56 mal so hoch wie bei Pkw-Unfällen.

Bauernverband gegen Führerscheinverbot mit 16

Aber sind wirklich die Jugendlichen die "größte Gefahr"? Statistisch belegen kann Brockmann das nicht. Aufgeschlüsselte Unfallzahlen für die Gruppe der 16- bis 18-Jährigen gebe es nicht, räumt er auf Nachfrage ein.

So überrascht es nicht, das der Bayerische Bauernverband (BBV) die Aussagen des Unfallforschers "überhaupt nicht nachvollziehen kann", so Georg Wimmer, der Generalsekretär des BBV. Die 16-jährigen Auszubildenden würden auf den Betrieben dringend benötigt. Fahrten mit dem Traktor seien deshalb eine gute Ausbildung, um die Jugendlichen so gut wie möglich auf die Risiken des Straßenverkehrs vorzubereiten.

Fahrlehrer: 16-Jährige sind extrem gut vorbereitet

Dem stimmt auch Hubert Graf, Traktor-Fahrlehrer aus Erding, zu. Er glaubt nicht, dass die jungen Traktorfahrer besonders gefährdet sind. "Die bringen sehr viel Vorwissen mit und sind extrem interessiert an dem, was sie bei uns lernen. Und ich bin überzeugt, dass ein 16-Jähriger, der den T-Führerschein macht, genauso aufnahmefähig ist wie ein 17- oder 18-Jähriger, der auf Pkw lernt", so Graf.

Der Schlüssel ist auch für ihn die gründliche Ausbildung. "Wir müssen die Schüler wirklich auf die Situation auf der Straße vorbereiten, ihnen die Sicherheitsvorschriften klar machen. Dann sehe ich kein Problem, wenn die Schüler gut ausgebildet auf die Höfe zurückkommen."

Kompromiss: Anhänger und Gewicht einschränken

Mit seinen Aussagen hat Brockmann eine intensive Debatte in den sozialen Medien ausgelöst. Auf Nachfrage zeigt er sich im BR24-Interview kompromissbereit. Er fordere kein generelles Verbot für Jugendliche. Aber es könne auch nicht sein, "dass ein 16-Jähriger einen schweren Traktor mit zwei Anhängern und einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen auf der Straße bewegt".

Mögliche Lösungen wären für Brockmann deshalb Beschränkungen beim Gewicht und den Anhängern für Fahrer unter 18 Jahren.

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